Der Stauferfries: Erklärung und Hintergrund

Vier Stauferfürsten weilten zu Staatsbesuchen in Gamundia: Kaiser Friedrich Barbarossa 1168, Kaiser Heinrich VI. 1192, König Konrad IV. 1240 und 1246 sowie Herzog Konradin 1266. Konradin, Enkel Kaiser Friedrichs II., Sohn König Konrads IV. und der Herzogin Elisabeth von Bayern, galt als Anwärter auf den römisch-deutschen Königs- und Kaiserthron. Als Herzog von Schwaben hielt sich der 14-jährige Stauferjüngling zur Weihnachtszeit 1266 in Gmünd auf. Dort regelte er laut einer von ihm ausgestellten, im Staatsarchiv Ludwigsburg aufbewahrten Urkunde am 28. Dezember die Rechtsgeschäfte zweier Esslinger Bürger.

Knapp zwei Jahre später wurde Konradin im Alter von 16 Jahren auf Befehl Karls von Anjou, von Papstes Gnaden rechtswidrig der neue König von Sizilien, nach seiner am 23. August 1268 bei Tagliacozzo in den Abruzzen verlorenen Schlacht um das staufische Erbreich am 29. Oktober 1268 in Neapel enthauptet.

Wie war es nach 130 Jahren zu diesem tragischen Ende der einst so mächtigen Stauferdynastie gekommen? Im Oktober 1266 war auf dem Augsburger Hoftag die kühne Entscheidung gefallen, Karl von Anjou das staufische Königreich Sizilien wieder zu entreißen. Daraufhin startete Konradin von Augsburg aus in seinem Herzogtum Schwaben eine Werbekampagne für seinen Italienfeldzug. Nach dem Aufenthalt in Schwäbisch Gmünd zog er weiter nach Rottweil, Engen im Hegau und Konstanz, später noch nach Esslingen und Chadolsburg bei Nürnberg. Am 8. September 1267 machte sich der junge Herzog mit einem vieltausendköpfigen Ritterheer samt einem riesigen Tross auf den Weg. Über den Brenner führte der Zug nach Bozen, Verona, Pavia, Pisa, Siena und Rom, wo der Königssohn und Kaiserenkel mit frenetischen Jubelrufen aus der Liturgie der Königs- und Kaiserkrönung empfangen wurde. Am 18. August 1268 verließ Konradin nach vier Wochen die Ewige Stadt. Fünf Tage später besiegte Karl von Anjou den letzten Staufer bei Tagliacozzo.

Eingedenk dieses historischen Hintergrunds erfährt der in Stahl geschnittene 60 Meter lange und bis zu 4 Meter hohe Fries des Gmünder Künstlers Helmut Gruber-Ballehr seine bewegende Strahlkraft.

Das Großkunstwerk in der Ledergasse kann und will keine realistische Wiedergabe des Adventus, des Einzugs Konradins in Gamundia sein. In Ermangelung stadtgeschichtlicher Quellen ist hier das Geschehen emblematisch durchkomponiert, indem das historisch beglaubigte Ereignis beispielhaft nach der Struktur inszeniert wird, die traditionellerweise die Herrschereinzüge auszeichnet. Während von links nach rechts Konradin mit seinem Gefolge Gmünd entgegenreitet, bewegt sich von rechts nach links eine große Prozession auf den jungen Herzog zu, bestehend aus weltlichen Honoratioren, den Vertretern der Zünfte und der städtischen Geistlichkeit. Sie alle haben sich auf den Weg gemacht, den Staufer würdig zu empfangen und ihm zu huldigen.

Der Gmünder Stauferfries entfaltet eine Summe von historisch einleuchtenden Teilstücken, in der sich glanzvoll die imperiale Aura des Schwabenherzogs spiegelt. Die nächtliche LED-Hinterleuchtung des Edelstahls mit ihrer Schattenbildung umhüllt Konradins kurze Herrschaft angesichts seines traurigen Schicksals mit einem magischen Fluidum.

Welche jugendliche Majestät hier von der Gmünder Bürgerschaft empfangen wird, unterstreichen die in seiner Truppe mitgeführten Fahnen. Da Konradin wie sein Großvater und sein Vater den Titel „König von Jerusalem“ führte, weht unmittelbar vor ihm eine Fahne mit dem Wappen des Königreichs Jerusalem, das ein großes Mittelkreuz und in den Quadranten vier kleine Kreuze zeigt, Symbole der vier Wundmale des Gekreuzigten. Davor werden für den König von Sizilien die Adlerfahne und für den Herzog von Schwaben das Banner mit den drei (goldenen) Löwen (auf rotem Grund) getragen. Am Ende des Zuges erinnern die vier Fahnen mit den Wappen der Kreuzritterorden, Templer, Johanniter, Deutschorden und Malteser, an die Kreuzzüge der Vorfahren Konradins, Konrad III., Friedrich Barbarossa und Friedrich II. Da Konradin mütterlicherseits ein Wittelsbacher war, erscheint in diesem Zug auch eine Fahne mit dem Wappen der bayerischen Herzöge, den schräggestellten (weiß-blauen) Rauten.

An der Spitze des städtischen Empfangskomitees, neben der Einhorn-Fahne und vor der Fahne mit dem Adler der Reichsstadt, erwartet der Gmünder Schultheiß mit einem Schlüssel in der Hand den Königssohn. Der oberste Repräsentant der Stauferstadt wird gleich den rechtssymbolischen Akt der Schlüsselübergabe vollziehen, Zeichen der Untertänigkeit gegenüber dem Schwabenherzog. Konradin wird ihm dann den Schlüssel zurückgeben, als Zeichen seiner Anerkennung eines untadeligen städtischen Regiments.

Musikalische Begleitung gehört zum Standard mittelalterlicher Herrschereinzüge. So hat der Künstler Tamburinspieler, Kesselpauker und eine Fanfarengruppe in seinen Fries eingebaut. Seine beschwingten Tänzerinnen unterstreichen die freudige Stimmung. Ein symbolträchtiges Bild beschließt die städtische Prozession: Es ist das Rad der Sieben Freien Künste, bestehend aus den Fächern Grammatik, Rhetorik, Dialektik, Arithmetik, Geometrie, Musik und Astronomie. Auf diese Weise will der Künstler die vielgerühmte Bildung Konradins veranschaulichen.

Text von Prof. Dr. Hubert Herkommer